Vorwerk

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Spinnen, Spulen, Zwirnen

Bevor ein Stoff auf dem Webstuhl entstehen kann, muss ein Faden hergestellt werden. Die notwendigen Vorgänge sind dabei das Spinnen, das Spulen sowie das Zwirnen. Sie alle gehören zum so genannten Vorwerk, den Prozessen, die dem Weben vorangehen

Das Spinnen hat sich im Lauf der maschinellen Evolution stark gewandelt und zur industriellen Revolution in der Textilherstellung beigetragen. Ein frühes Beispiel ist die halbautomatische Spinning Mule aus dem 19. Jh. Die folgenden automatischen, so genannten Selfactor-Spinnmaschinen arbeiteten vergleichbar und verspannen Garnstrecke für Garnstrecke nacheinander.

Der nächste wichtige Entwicklungsschritt ist die Ringspinnmaschine, die kontinuierlich arbeitet. Das Vorgarn wird auf die notwendige Fasermenge gestreckt und durch einen um den Spulenkern schnell rotierenden Ringläufer zum Faden verdreht und sogleich aufgewickelt.

Bei modernsten Rotor-Spinnmaschinen wie dem Autocoro aus dem Jahr 2002 ist der Spinnprozess selbst nicht mehr sichtbar. Das Vorgarn wird automatisch eingezogen, durch schnellste Rotationsbewegung gestreckt und zum Faden verdreht. Dieser wird direkt auf Kreuzspulen aufgewickelt und in der modernen Weberei sowohl als Schuss- wie als Kettgarn weiterverwendet. Die Maschine ist zudem in der Lage automatisch Fehler wie einen Fadenriss genannt Fadenbruch zu beheben oder den Spinnprozess selbstständig zu beginnen, indem der neue Faden an den der vorhandenen Kreuzspule angedreht wird.

Die Garne auf den Spulen der Ringspinnmaschine sind dagegen nicht sofort weiter zu verwenden. Durch die Kreuzspulmaschine werden die gesponnenen Fäden auf dickere Spulenkerne umgespult und so auf größere Längen gebracht. Diese lassen sich anschließend mit der Schärmaschine zu Ketten weiterverarbeiten oder zu Schussspulen für Schützenwebstühle.

Beim Zwirnen wird die erforderliche Reißfestigkeit der Fäden erhöht. Hierbei werden zwei Fäden miteinander verdreht. Durch die Verwendung gezwirnter Kett- und Schussfäden entstehen besonders belastbare Gewebe.

 

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Halbautomatische Spinnmaschine „Mule Jenny“

Spinnerei-Maschinen-Fabrik C.E. Schwalbe,Werdau, um 1850Leihgabe des LVR- Industriemuseums, Spinnerei Cromford, Ratingen

Die „Mule Jenny“ arbeitet halbautomatisch und stellt das Bindeglied zwischen dem manuellen Spinnen der „Spinning Jenny“ und den vollautomatischen Spinnmaschinen dar. Sie ist die Fortentwicklung der „Spinning-Jenny“-Technik für den Fabrikbetrieb. Entwickelt wurde sie 1779 vom Engländer Samuel Crompton.

Der vordere Teil der Maschine mit den Spindeln ist ausfahrbar. Während der Ausfahrt des Wagens wird das Vorgarn, das in Rollen auf der Maschine liegt, gestreckt und durch die rotierenden Spindeln versponnen. Anschließend wird der Wagen wieder eingefahren und dabei das fertige Garn auf den Spulen aufgewickelt.

Das Ausfahren des Wagens und das Drehen der Spindeln erfolgt nicht mehr per Handbetrieb, sondern über eine zentrale Kraftquelle, die mittels Transmissionsriemen an die Maschine weitergegeben wird. Das Einfahren des Wagens und das Aufwickeln des Garns muss jedoch manuell bewerkstelligt werden. Dies ist an der Maschine gut zu erkennen. Es erfolgte durch Druck auf das Lederpolster mit dem Knie. Gleichzeitig regulierte der Spinner das Aufwickeln des Garns mit dem großen Handrad.

Diese „Mule Jenny“ besitzt 80 Spindeln und hat eine Breite von sechs Metern. Möglich waren bis zu 300-500 Spindeln.

Der nächste Entwicklungsschritt war die vollautomatische Spinnmaschine, der „Selfaktor“ ab 1825/30. Doch die „Mule Jenny“ konnte sich noch lange behaupten, da der „Selfaktor“ nur zwanzig Prozent höhere Leistung brachte, aber ungleich teurer war und viel mehr Energie verbrauchte.